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20 Jahre Chorleiter – «schon» oder «erst»?

Ich kann mich noch gut erinnern: Während der Schulzeit zwei Mal pro Woche in den Turnverein. Geräteturnen. Etwas spät beigetreten, aber immerhin. Turnen ist zwar cool, trotzdem aber für mich nicht wirklich das «Gelbe vom Ei». Da kommt der Übertritt ins Gymnasium gerade recht. Mit dem längeren Schulweg reicht es für zwei Trainings pro Woche nicht mehr, zumal das Training jeweils am frühen Abend stattfindet. Dafür macht mich eine andere Anfrage «gluschtig»: Vor kurzem haben einige unerschrockene Sängerinnen und Sänger den Gospelchor «Just for fun» gegründet – und sie wollen mich unbedingt als Verstärkung im Tenor gewinnen. Endlich kann ich mir einen schon lange gehegten Wunsch in Erfüllung gehen lassen und in einem Chor mitsingen, dessen Repertoire mir durchaus entspricht.

Die erste Probe vergeht wie im Flug. Dass bereits drei Wochen später der erste Auftritt des erst halbjährigen Chores in der Agenda steht, zeigt sich als cooler «Senkrechtstart». Es sind übrigens mehr Sängerinnen und Sänger als Zuhörende im Raum!

Zwei Jahre später tritt die Chorleiterin zurück, und wir suchen eine Nachfolge. Der «Tätschmeister» dieser Suche kommt irgendwann auf mich zu und fragt mich, ob ich mir dieses Amt zutrauen würde. Nach kurzem Zögern und trotz dem Wissen, dass dies keine einfache Aufgabe sein wird und ich keinerlei Vorkenntnisse als Chorleiter habe, sage ich zu. Dennoch wagt sich der Chor an das «Projekt Chorleiter Martin». Ich bin zarte 18 Jahre alt und gelte somit als «jüngster Chorleiter westlich des Urals». Meine allererste Amtshandlung wird ein Auftritt an einer Hochzeit in Fahrni Anfang September 2000 – und dabei geht im Vorfeld alles schief, was auch nur schiefgehen kann: Die Sängerinnen und Sänger kommen teilweise zu spät zum Einsingen, Zuhörende sind schon in der Kirche und zu guter Letzt droht der Pianist aus zeitlichen Gründen nicht teilnehmen zu können. Irgendwie bringen wir den Auftritt trotzdem einigermassen erfolgreich hinter uns. Aus dieser regelrechten Feuertaufe wird eine zehnjährige Partnerschaft mit vielen Höhen und Tiefen, insbesondere aber mit Höhen. Unsere alljährlichen Konzerte unter dem Motto «Gospel goes…» werden zu einem Publikumsmagnet, die Anzahl Konzerte steigern sich fast jährlich, und auch sonst werden wir häufig gebucht. Die Zusammenarbeit mit «Just for fun» endet schliesslich nach ziemlich genau einem Jahrzehnt.

Was kommt nun, nach «Just for fun»? Geht da überhaupt noch etwas? Ich erhalte eine Anfrage des Gospelchors Niederscherli. Nach langem Überlegen bewerbe ich mich um die Stelle, und nach einem Probesingen scheine ich die Sängerinnen und Sänger überzeugt zu haben. Das Motto des Jahres und damit auch das Repertoire definiert sich aus dem anstehenden Jubiläum. Vielleicht ist gerade das keine sonderlich gute Basis für eine langjährige Zusammenarbeit, da ich nicht besonders viel von mir einbringen kann. Und so endet dieses intensive Kapitel nach bereits einem Jahr.

Und jetzt? Habe ich als Chorleiter versagt? Oder bin ich nur nicht dafür gebaut, einen bereits bestehenden Chor zu übernehmen? Viel Zeit zum Überlegen habe ich nicht, denn unsere Hochzeit steht bevor. Aus dem Projekt «Misa Pacha Mama», welches ich bereits während der Zeit als Chorleiter bei «Just for fun» leiten durfte, und besagtem Chor trommle ich ein paar Sängerinnen und Sänger zusammen. Die Lieder studiere ich mit ihnen ein, und mit dem ehemaligen Rektor der Sekundarschule Langnau habe ich einen wunderbaren Dirigenten für unser Fest gefunden.

Nach diesem wunderschönen Auftritt ist scheinbar Schluss mit Chöre leiten. Vielleicht gibt es aber einfach nur eine «schöpferische Pause». Glücklicherweise gilt letzteres, und einer der Sänger von unserem Hochzeitschor bittet mich, etwas auf die Beine zu stellen, da sein Sohn heiraten werde. Wieder werden Sängerinnen und Sänger gesucht, und so studieren wir einige Lieder ein. Dass dieses Projekt der Grundstein für musiclight sein würde, sollte sich erst später herausstellen.

Nach dieser Hochzeit bleiben ein paar Unerschrockene beisammen und helfen mit, die Idee musiclight ab Leben zu erhalten. So proben wir weiterhin, singen, was das Zeug hält. In dieser Zeit nehme ich mir auch viel Zeit, Lieder zu arrangieren, und teste diese neuen «Werke» bei musiclight aus. Auch wenn wir eine Zeitlang viele Abgänge verzeichnen, können wir uns in kleinen Schritten (und in einer kleinen Gruppe) verbessern. Ich verzichte nun darauf, die ganze Geschichte von musiclight zu beschreiben, diese kannst du hier nachlesen.

Chorleiter zu sein, geht über die Arbeiten hinaus, welche die Sängerinnen und Sänger an den Proben und das Publikum an den Auftritten mitbekommen. Bei musiclight bin ich sozusagen «Mädchen für alles»: ich bin musikalischer Leiter, Arrangeur, Finanzminister, Administration, Webmaster, Manager. So bin ich immer wieder ausgelastet, auch in der probefreien Zeit. Es macht aber Spass, und ich schätze es, wenn «meine» musiclight-Mitstreiter motiviert sind, den eingeschlagenen Weg zusammen mit mir weiter zu gehen.

20 Jahre sind seit meinen ersten, kleinen Schritten in die Chorleiter-Welt vergangen. Die Zeit verging wie im Flug. Ob es nun «schon» oder «erst» 20 Jahre sind, kann ich nicht beantworten…

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